Mitbestimmung bei Hinweisgeberstelle: Externe Auslagerung schützt nicht vor Betriebsratsbeteiligung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat entschieden (Beschluss vom 08.07.2025 – 2 TaBV 16/24): Auch wenn ein Unternehmen eine Hinweisgeberstelle an eine externe Kanzlei auslagert, muss der Betriebsrat mitbestimmen. Unternehmen dürfen die Mitbestimmung nicht durch Auslagerung umgehen. 

Was ist das Problem? 

Viele Unternehmen lagern ihre interne Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz an externe Dienstleister aus. Das spart Ressourcen und sorgt für Neutralität. Doch oft wird der Betriebsrat dabei übergangen – obwohl seine Beteiligung gesetzlich vorgeschrieben ist. Das LAG Schleswig-Holstein hat jetzt entschieden: Externe Auslagerung entbindet nicht von der Mitbestimmung. 

Was ist rechtlich geregelt? 

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Unternehmen ab 50 Beschäftigten, eine interne Meldestelle einzurichten (§ 12 Abs. 2 HinSchG).  Diese Pflicht steht nicht zur Diskussion und ist nicht mitbestimmungspflichtig

Mitbestimmungspflichtig kann aber die Ausgestaltung sein, zum Beispiel: 

  • Wer betreibt die Meldestelle? 
  • Wie können Mitarbeitende Hinweise abgeben? 
  • Wer nimmt Hinweise entgegen? 
  • Wie werden Hinweisgeber geschützt? 
  • Wie wird dokumentiert und reagiert? 

Hier greift § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Regeln, die das Verhalten der Arbeitnehmer betreffen oder die betriebliche Ordnung beeinflussen, sind nicht einseitig durch den Arbeitgeber umsetzbar. Es braucht eine Einigung mit dem Betriebsrat – oder die Entscheidung einer Einigungsstelle. 

Was hat das Gericht entschieden? 

Im Fall vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte ein Unternehmen eine externe Anwaltskanzlei mit der Meldestelle beauftragt – ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Mitarbeitende sollten Hinweise anonym an diese Kanzlei melden. Der Betriebsrat beantragte, den Betrieb der Meldestelle zu stoppen. Das Arbeitsgericht Elmshorn gab ihm recht – das LAG bestätigte nun die Entscheidung. 

Die zentralen Aussagen des Gerichts 

  • Mitbestimmungspflicht auch bei externer Stelle: Die Beteiligung des Betriebsrats entfällt nicht, nur weil ein externer Dienstleister eingesetzt wird. 
  • Externe Beauftragung ändert nichts an der Verantwortung des Arbeitgebers. 
  • Die Art und Weise der Hinweisabgabe beeinflusst das Verhalten der Beschäftigten – also ist § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG einschlägig. 
  • Verfahren, Abläufe und Zuständigkeiten müssen mit dem Betriebsrat abgestimmt werden. 
  • Einseitige Einführung ist rechtswidrig. Wird der Betriebsrat übergangen, kann der Betrieb der Meldestelle untersagt werden. 

Die Entscheidung ist konsequent: Eine gesetzliche Pflicht entbindet nicht von der Beteiligung, wo Mitbestimmung vorgesehen ist. Die Auslagerung an Externe darf nicht zur Umgehung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte führen.  

Was bedeutet das für Unternehmen? 

Wenn Sie eine interne Meldestelle extern betreiben lassen (z. B. durch eine Kanzlei) und verbindliche Vorgaben zur Meldestelle für die Arbeitnehmer machen, müssen Sie: 

  • den Betriebsrat einbinden
  • die Abläufe abstimmen
  • und die Verantwortlichkeiten klar regeln

Andernfalls riskieren Sie: 

  • rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat, 
  • Untersagung der Meldestelle, 
  • und Verzögerungen bei der Einhaltung gesetzlicher Pflichten

Stellen Sie sich daher vor Auslagerung einer Meldestelle die folgenden Prüffragen: 

  • Wurde der Betriebsrat über die geplante Auslagerung informiert
  • Wurden die Meldekanäle und Meldewege abgestimmt (z. B. anonym, E-Mail, Telefon)? 
  • Ist der Umgang mit Meldungen transparent und geregelt
  • Gibt es eine Betriebsvereinbarung zur Ausgestaltung? 
  • Ist der Datenschutz sichergestellt (auch bei Externen)? 

Unsere Empfehlung 

Unternehmen sollten bestehende Hinweisgebersysteme auf Beteiligung des Betriebsrats prüfen. Bei geplanter Einführung empfehlen wir eine frühzeitige Abstimmung, um den Weg vor Gericht oder gar in die Einigungsstelle zu vermeiden. 

Benötigen Sie Formulierungsvorschläge oder Unterstützung bei der Abstimmung mit dem Betriebsrat? Sprechen Sie uns gerne an.